Warum Körpertherapie ?

Ausgangspunkt und Basis der Körpertherapie ist die Betrachtung von Körper, Seele und Geist als eine untrennbare Einheit. Das Prinzip der Zusammengehörigkeit von Körper und Seele - griechisch Soma und Psyche - ist so alt wie die Heilkunde selbst.

Die Einheit von Körper, Seele und Geist

Im psychosomatischen Ansatz der Medizin, bei dem es nicht darum geht, dem Somatischen weniger, sondern dem Psychischen mehr Beachtung zu schenken, als dies die konventionellen, naturwissenschaftlichen Denkmodelle tun, findet sich eine räumliche Sicht des Menschen in seiner Komplexität. Diese Komplexität von wechselseitigen Wirkungen zwischen Körper, Seele und Geist gilt es auch in der psychotherapeutischen Arbeit im Blick zu haben.

Körperlich-seelische Zusammenhänge

Der Zusammenhang zwischen seelischen und körperlichen Funktionen ist oft spür- und teilweise sogar sichtbar: Wenn das Herz vor Aufregung schneller schlägt, wenn man vor Schreck blass oder vor Scham rot wird oder wenn jemand vor Angst zittert und schwitzt. So etwas ist alltäglich. Bereits im Volksmund weiß ein jeder was damit gemeint ist: Davor hat er Schiss, das macht mir Kopfschmerzen, das hat mir die Kehle zugeschnürt, da muss man den Rücken steif halten, so etwas geht mir an die Nieren, etc. Zum Problem und Leiden werden solche Erscheinungen erst, wenn sie sich zum Dauerzustand verfestigen und der Betroffene gar nicht mehr weiß, was dem eigentlich zugrunde liegt. Man könnte sagen, der seelische Hintergrund wird aus dem Bewusstsein verdrängt. Ein Stück des seelisch-psychischen Erlebens geht dabei verloren. Ein solches Verdrängen kann immer dann stattfinden, wenn die Ursache für die seelisch-psychische Not nicht zu beheben ist und man gezwungener Maßen mit dem seelischen Schmerz weiterleben muss. Um den Schmerz nicht mehr zu fühlen, werden Strategien und Verhaltensmuster entwickelt, die mehr dem Überleben als dem Leben dienen. Körper, Seele und Geist befinden sich dann in chronischem Stress, dessen Folge u. a. muskuläre Spannungszustände sein können. Die Anspannung hilft, die seelische Öffnung, die als unbefriedigend erlebt wurde, in zukünftiger Nähe und Intimität mit anderen abzuwehren, um unerträgliche Schmerzen zu vermeiden. In der inneren Wahrnehmung können so ganze Körperregionen ausgeschaltet werden und sind dann für das Gefühl nicht mehr zugänglich bzw. nicht mehr vorhanden. In psychosomatischen Symptomen können die chronischen Stress- und Spannungszustände ebenso ihren Ausdruck finden wie in unbefriedigenden Lebenszusammenhängen und Beziehungsmustern. Malcolm Brown verdeutlicht anschaulich die Entstehung muskulärer Panzerung.

Der Kern körperlich-seelischer Verfassung

Die Energiegrundmuster des menschlichen Organismus können als Bewegung zwischen den drei wesentlichen embryonalen Gewebeschichten verstanden werden: die Ektodermale (Haut, Gehirn und Sinnesorgane), Mesodermale (willkürliche Körpermuskulatur) und Endodermale (die inneren Organe, die verantwortlich für die Bezogenheit und den Kontakt der verschiedenen physiologischen Systeme zueinander sind). Kern der körperlich-seelischen Verfassung bilden nach Brown die vier Körperregionen Brust, Bauch, oberer und unterer Rücken, die auf unterschiedliche Weise eine jeweils eigene Form des fühlend-denkenden Kontaktes zwischen Subjekt und Welt ermöglichen. (Malcolm Brown 1985)
Gesundes Heranwachsen und die Bildung von Abwehrformen bzw. Überlebensstrategien stehen in Zusammenhang mit dem Austausch organismischer Energiefelder der Eltern zum noch undifferenzierten Feld des Kindes. Beispielsweise ist im Gegensatz zur sogenannten ungepanzerten Mutter, die Zugang zum Grund ihrer eigenen Gefühlen hat, die gepanzerte weitgehend unfähig direkt aus ihrer endodermalen Tiefe auf die noch undifferenzierten energetischen und körperlichen Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen. Das Kind findet demnach keine Resonanz auf seine Bedürfnisse und bleibt in gewisser Weise an diesen Stellen alleine. Solche Erfahrungen können Gefühle von "Verlassen sein" hervorrufen und einen emotionalen Schmerz auslösen, der im Körper, als der verkörperten Seele, Spuren hinterlässt.
Der erfahrene Mangel an sicherer emotionaler Basis und Resonanz erzeugt Stress, der wegen fehlender Bezogenheit der Umwelt auf die energetischen Bedürfnisse des eigenen Kernselbst nicht adäquat verarbeitet werden kann.
Der Organismus bleibt in chronischer Spannung, die zu bestimmten Mustern im Fühlen, Denken und Handeln führt.
Aus infantiler Furcht verlassen zu sein bzw. zu werden, kann so die Abwehrweisheit des Körpers beispielsweise dazu zwingen, die Tiefenatmung vollständig zu unterdrücken, um den emotionalen Schmerz und die Angst vor seiner Wiederholung zu vermeiden. Moser schreibt als Hypothese in einem Fallbeispiel: "…, dass der Atemraum bei neurotischen Störungen eingeschränkt ist, dass der eingeschränkte Atem der Angstkontrolle dient und der Senkung der Vitalität, damit nicht so viele Gefühle hochkommen." (Moser 1994)
Es zeigt sich also, dass die im Laufe unseres Lebens gemachten Erfahrungen, insbesondere die frühen Erlebnisse, unseren Körper in verschiedenen Schichten und Bereichen gestalten. "… George Downing, …. der den Patienten von hinten unter die Arme greift - wie beim Halten des Kleinkindes durch die Mutter - … verdeutlicht …, wie viel Sinn es macht, frühe Gesten möglichst genau nachzuahmen, weil sie sich in tiefen Spuren im Körpergedächtnis eingegraben haben." (a. a. O.)

Wechselwirkung zwischen Gedanken, Gefühlen und Empfindungen

Hormon-, Immun- und Nervensystem stehen in vielfältiger Wechselbeziehung zueinander. Beinahe jeder Gedanke, den wir haben, erzeugt innerlich ein Bild oder eine Stimmung. Die daraus entstehenden Gefühle beeinflussen die Zusammensetzung des biochemischen Hormoncocktails. Die Hormone, die als so genannte Botenstoffe über den Blutweg alle Körperzellen erreichen können, bestimmen wiederum entscheidend die biologischen Abläufe im Körper sowie das Verhalten und die Empfindungen eines Menschen. (Elvira Bierbach, Hrsg. 2000) Psychische Faktoren haben also einen starken Einfluss auf körperliche Funktionen. Ebenso wirkt die körperliche Verfassung auf das psychische Empfinden.

Körperorientierte Psychotherapie

Die Ganzheit von Psyche und Soma gilt es in der Therapie im Blick zu haben. Richtet man sich ausschließlich auf die Psyche, kann ein Thema vielleicht erkannt und dem Bewusstsein zugeführt werden, wodurch die Psyche etwas Neues lernt. Steckt der Körper jedoch in alten Blockaden/Spannungen und reagiert mit alten Verhaltensmustern, kann die neue Erkenntnis nicht wirklich ins Leben integriert werden. Um dem Neuen auf körperlicher Ebene innerlich Raum zu geben, braucht es auch ein neues körperliches Erleben, das der alten Erfahrung bzw. dem Mangel an Erfahrung entgegenwirkt. Auf diese Weise kann das bewusst Gewordene sowohl körperlich als auch psychisch integriert werden. Natürlich gilt dies auch in umgekehrter Folge. Eine rein körperliche Erfahrung ohne Aufarbeitung des psychischen Hintergrundes heilt nicht in jedem Fall.
Körperorientierte Psychotherapie kann helfen die inneren körper-seelischen Bewegungen wahrzunehmen und zu überprüfen, ob die aktuelle Situation, das entstandene Gefühl und die innere Reaktion aufeinander bezogen sind. Denn oftmals reagieren wir innerlich auf bereits vergangene Erlebnisse und sind mit unseren Gefühlen in "Altem" verhaftet. Therapie ist in diesem Sinne die Suche nach sich selbst und seinen Potentialen im "Hier und Jetzt". Es ist ein sich Freimachen von alten Reaktions- und Verhaltensmustern, die früher ihren Sinn hatten, heute aber begrenzen und behindern.